Innerliche und äußerliche Erneuerung

1963 wurde im Rahmen der liturgischen Erneuerungsbewegung die Kirchenausgestaltung völlig geändert, man unternahm etwas, das damals als "Purifizierung" bezeichnet wurde und räumte die Patina der Vergangenheit und den Geschmack des 19. Jahrhunderts aus dem Gotteshaus. Der unechte Stuck, die Bemalung von Säulen, Pfeilern, Kapitellen, Gurtbögen und Gewölbezwickeln wurde abgeschlagen, Hochaltar, Seitenaltäre und Orgelempore wurden entfernt, das Presbyterium wurde um 30 cm gesenkt, die Wände ausgebessert und neu verputzt. Für die dafür erforderlichen Mittel kamen die Österreichische Bischofskonferenz mit Kardinal Dr. Franz König, das Bundesministerium für Unterricht sowie private Spender auf. Die Leitung dieser Renovierung lag in den Händen von Anton Lehmden, dem Maler der "Wiener Schule des phantastischen Realismus", der zu dieser Zeit einen Lehrauftrag an der Akademie der bildenden Künste in Istanbul erfüllte und mit dem Superior von St. Georg, Dr. Franz Oitzinger, bekannt geworden war. Er gestaltete die Kirche neu. Die Wände wurden mit Marmorplatten verkleidet, deren "rauschend graue" Maserung (Muschik) an islamische Gotteshäuser in Istanbul erinnern soll; andere Details wie Irenenbrunnen, Priesterbank etc. wurden in Marmor gefaßt, und Anton Lehmden führte religiöse Motive in Öl aus: den großen Kruzifixus für die Altarwand, den Hl. Georg, den Hl. Vinzenz von Paul, die unbefleckte Empfängnis, die Hl. Irene, den Hl. Antonius, ein Vortragkreuz, 14 Kreuzwegstationen und je ein Bild darstellend die Schöpfung und die Arche Noah.

Raidl und seine Nachfolger Dr. Franz Oitzinger, Dr. Ernst Leitgeb, Dietmar Neumann (Superioren) und Herbert Eder (Direktor) führten die Bautätigkeit mit der tatkräftigen Unterstützung der Republik Österreich durch, vergrößerten und verbesserten die Schule laufend: Soweit man ein altes Gebäude überhaupt verbessern kann, war es von Jahr zu Jahr verbessert und an die Erfordernisse angepaßt worden. Der Bund stellte neben Subventionslehrern auch geeignete Lehrmittel zur Verfügung, darunter ein Sprachlabor, einen audio-visuellen Unterrichtsraum und für die Handelsakademie Computer. Als die Schule 1982 ihr hundertstes Bestandsjubiläum feierte, waren an ihr bereits 44 Subventionslehrer tätig, und in den Ansprachen lobten Festredner St. Georg bereits als eine der angesehensten Schulen Istanbuls und der Türkei: Denn die Leistungen ihrer Absolventen bei den Universitätsaufnahmeprüfungen reihten das St. Georgs-Kolleg unter die besten Schulen des Landes. Aber auch in außerschulischen Bereichen erzielten die Schüler von St. Georg beachtliche Erfolge: So zum Beispiel im Mathematik-Wettbewerb, im Chorsingen (fünf Jahre nacheinander bester Chor der Schulen Istanbuls), in der Pop- Musik (1982 hochdotierter 1. Preis der Türkei), im Volkstanz, im Sport, bei Briefmarkenausstellungen usw.

1983 erhielt die Kirche eine verbesserte Statik: Um möglichen Erdbebenschäden vorzubeugen, wurden unter Leitung von Dipl.-Ing. Weberberger aus Österreich die Fundamente erneuert und wurde ein Stützgerüst errichtet. Im selben Jahr übernahm der bereits seit 1977 in der Schule als Lehrer tätige Lazaristenpriester Mag. Franz Kangler auch die Schulleitung. In seiner Ägide rückten die Schule und die türkischen Schulbehörden durch ständige Reformen enger zusammen als je zuvor, so daß St. Georg kurz vor der neuen Jahrhundertwende fast als "Versuchsschule des türkischen Staates" bezeichnet werden könnte. Die Schülerzahl wurde gegenüber den Rekordjahren zwar um ein Geringes reduziert - dieses kommt der Verringerung der Schülerzahl pro Klasse und einer Verbesserung der Effizienz des Unterrichtes zugute - doch ist auch in Hinsicht auf die Herkunft der Schüler in den letzten Jahrzehnten eine vollständige "Turkisierung" eingetreten: Während 1913 (man vergleiche die weiter oben angeführte Statistik) verhältnismäßig wenige Istanbuler Kinder in St. Georg waren, sind 1995 von den 960 Schülern 955 Türken (die restlichen fünf sind Österreicher)! Und während sich in der Statistik der Glaubensbekenntnisse von 1913 die gesamte orientalische Christenheit widerspiegelt und nur 29 islamische Kinder in der Schule waren, gehören 1995 95% der Schüler dem Islam an (2% sind christlichen, 3% jüdischen Bekenntnisses).