Das Lazaristenwerk St. Georg entsteht

Das war die Stunde des Conrad Stroever: Sein "Deutsches (meint 'deutschsprachiges') Werk" suchte eine Unterkunft in Konstantinopel, St. Georg bot sich wegen seiner schon vorhandenen deutschsprachigen österreichischen "Infrastruktur" bestens an, und so wurde am 25. November 1882 das Geschäft abgeschlossen: St. Georg ging in das Eigentum der Lazaristen über.

Der Preis betrug 7500 türkische Pfund in Gold. 3000 Pfund, gleich 33.000 österreichischen Gulden, hatte der Käufer in bar (ein Teil davon war eine Zuwendung des österreichischen Kaiserhauses), der Rest kreditierten ihm die bosnischen Brüder auf 15 Jahre zinsenlos. Begeistert über das Geschäft zählte Stroever in einem Brief an Flandorfer auf, was er alles erworben hatte:

  1. "Das frühere österreichische Spital für Marine, Lloyd und andere [Einrichtungen Österreichs in Konstantinopel, der Verf.].
  2. Große österreichische Gefängnisse (zum Krummschließen sogar und Dunkelhaft) mit 6 Kawassen oder Gefangenenhütern.
  3. 2 oder 3 ufficio austriaco della Marina, jeder der 3 Teile mit eigenem Eingangstor.
  4. Die schöne Kirche, früher Kathedrale, nebst allem Zubehör, Kelchen, Monstranzen, Leuchtern, allein so viel wert wie die Nummern eins, zwei und drei zusammen.
  5. Der kleine Convent für die Patres Franziskaner, 8 Zimmer nebst Küche, 3 kleinen Terrassen und
  6. zwei kleine Höfe.
  7. Ein kleiner hübscher Garten.
  8. Das schönste von allem (das höchste Gut im Tabernakel freilich ausgenommen) von einer vierten, der höchsten Terrasse über dem Hause eine der reizendsten Aussichten über ganz Stambul. Kein Haus von Religiosen oder Schwestern hat eine solche Aussicht ..."

Und Stroever schreibt später in seinem Testament, daß "die Anstalt von St. Georg stets unter österreichischem Staatsschutz stand und bleibt", und er sollte damit Recht behalten: Wie Kaiser Franz Joseph I. eine beträchtliche Summe beigesteuert hatte, damit der Kaufpreis bezahlt werden konnte, so hätte seit dem Ende der Monarchie Haus und Schule ohne die Hilfe Österreichs nicht erhalten werden können.

1882 aber wurde die Volksschule für Mädchen und Buben aus den Familien der österreichisch-ungarischen Kolonie in Konstantinopel eingerichtet. Später wurden auch Kinder aus türkischen Familien und aus den in der Stadt lebenden Minoritäten aufgenommen, und 1888 berichtete Stroever dem Generalsuperior der Lazaristenkongregation in Paris, daß er bereits über "fünfzehn schöne Klassenzimmer und 48 Zimmer, zwei große und zwei kleine Terrassen" verfüge und daß die Schule "400 Kinder, 200 interne und ebenso viele externe aufnehmen (könne). Vor 15 Jahren haben wir mit fünf Kindern begonnen, und letztes Jahr hatten wir schon fast 300, ein klarer Beweis der Notwendigkeit und Nützlichkeit dieses Gebäudes".

1889 erklärte der Generalsuperior der Lazaristen St. Georg zu einem eigenständigen Werk (bis dahin war es St. Benoit unterstellt gewesen); im nämlichen Jahr wurde die Schule nach Geschlechtern getrennt.

1891 starb Stroever; ihm folgten nun endgültig Lazaristenpriester aus der österreichischen Provinz. 1892 erwarben die Schwestern zwei zur Kule sokak hin benachbarte Holzhäuser, ließen sie abtragen und an deren Stelle einen Neubau errichten: Er war als Vergrößerung von Volksschule und Waisenhaus gedacht, denn in der fünfklassigen Volksschule wurden bereits an die 300 Kinder beider Geschlechter unterrichtet, und im Waisenhaus wohnten rund 100 Kinder. Stroevers Nachfolger Joseph Jarosch baute die Schule aus: Er fügte 1897 der Volksschule eine Unterrealschule und eine zweiklassige Handelsschule an.

In der Knabenschule unterrichteten in diesen Jahren sieben Lehrer 151 Schüler, in der Mädchenschule 23 Schwestern 231 Schülerinnen, und als würde eine Konkurrenz zwischen den Schulen ausgetragen, unternahm auch die Mädchenschule eine Erweiterung: Schwester Kolberg gliederte ihr eine Näh- und Handarbeitsklasse an und einen Kindergarten. In beiden Schulen waren insgesamt 96 Waisenkinder, für deren Lebensunterhalt und Bekleidung die Schwestern aufkamen: Deren hohe Zahl zeigt auf, daß sich das St. Georgs-Kolleg nicht als elitäre Einrichtung verstand, sondern sich bewußt der Unbemittelten annahm.

1901 starb Jarosch, ihm folgte als Superior und Schulleiter Johann Nepomuk Kajdi. Er sollte sich den Ruf erarbeiten, in der Reihe der Kollegsleiter der energischste und bedeutendste zu sein.