Vinzenz von Paul am Tisch der Armen

Armendienst ist Gottesdienst

Mitten unter den Armen sitzt als einer von ihnen Vinzenz von Paul. Er trägt keinen Heiligenschein, steht auch nicht als großer Helfer über ihnen, sondern gehört zu ihnen. Es ist, als wären die Leute gerade hereingekommen, als Vinzenz sich zu Tisch setzen wollte, um sein einfaches Mahl zu sich zu nehmen. Nun teilt er es mit ihnen.

Sind das wirklich Arme? Wer weiß schon, wer wirklich arm ist? Hier sitzen alte Leute, dazwischen Kinder mit tiefliegenden Augen, ein Haftentlassener mit seiner Tätowierung, ein leichtes Mädchen, das wie Johannes beim letzten Abendmahl in besonders liebevoller Nähe zu Vinzenz sitzt, ein Sandler zu seiner Rechten und Menschen aus fremden Ländern, Asylanten. Ihre Gesichter sind nicht sehr deutlich. Vinzenz sagt: "Oft genug haben die Armen überhaupt kein Gesicht, aber drehen Sie die Medaille um, dann werden Sie im Lichte des Glaubens sehen, daß der Sohn Gottes uns in diesen Armen begegnet." Das in der Tischmitte durchscheinende Antlitz Christi läßt die Gegenwart des leidenden Christus in diesen Menschen ahnen. Darum fordert Vinzenz: "Dienen wir den Armen mit neuer Liebe. Erkennen wir vor Gott, daß sie unsere Herren und Meister sind!" Armendienst ist Gottesdienst! Die Zwölf, die um Christi Antlitz bei der Armensuppe sitzen, erinnern an das Abendmahl, das Mahl der Liebe Gottes, dessen innerstes Geheimnis nach Vinzenz das "Erbarmen" ist.

Auf dieses Erbarmen Gottes weisen besonders die übrigen Bilder hin. Zur Linken liegt die nackte, bloßgestellte Frau am Boden. Gerechte wollen mit ihren Füßen auf ihr herumtrampeln. Jesus weist diese mit gespreizten Fingern abwehrend zurück und blickt liebevoll auf sie. Mit vielen "verlorenen Schafen", die über das Bild hin zu Jesus laufen, kehrt auch sie zu ihm heim.

Im rechten Bild nimmt der Vater seinen verlorenen Sohn wieder auf. Die vollen Krüge über ihm und die gefüllten Körbe am Boden lassen die Fülle des verlorenen und wiedergewonnenen Lebens ahnen. Der ordentliche, daheimgebliebene Sohn kann ein solches Maß an Liebe nicht verstehen.

Auf der geschlossenen Außenseite des Altarbildes befinden sich vier völlig gleich aussehende Schächer zur Rechten des Gekreuzigten. Vielleicht finde auch ich einmal dort meinen Platz, wenn mein Leben vertan und verloren ist.

So werden die Armen, die Verlorenen, die Sünder zu Boten, zu Aposteln der erbarmenden Liebe Gottes. Glücklich alle, die ihre Botschaft verstehen und annehmen können!

Wolfgang Pucher CM