St. Georgs-Krankenhaus

"Den äußeren Umständen nicht nachgeben, den Leidenden auch unter widrigsten Bedingungen zur Seite stehen": Als 1872 eine Choleraepidemie in Istanbul wütete, nahmen zwei Barmherzige Schwestern aus Graz dem angeführten Motto getreu in einer Baracke unweit des Galataturmes den Kampf gegen die Seuche auf. Weitere Schwestern folgten und unterstützten die "Gründerinnen", und gemeinsam schrieben sie sozusagen auf ihre Fahnen, mittellosen Menschen ungeachtet deren nationaler Zugehörigkeit oder ihres religiösen Bekenntnisses in Krankheit und Not zu helfen und Leid zu lindern - 125 Jahre später sollte das Werk dieser Schwestern unter dem Namen "Sen Jorj Hastahanesi" eine der bestbekannten Adressen Istanbuls sein, im besonderen geschätzt von ärmeren Schichten, weil diese in Sen Jorj die ärztliche Hilfe so gut wie umsonst bekamen und nach wie vor bekommen.

1893 erreichten die Barmherzigen Schwestern eines ihrer Teilziele: Gemeinsam mit einem türkischen Arzt eröffneten sie ein Kinderspital, das erste seiner Art im Osmanischen Reich. Angeschlossen wurden damals eine Abteilung für Augenkrankheiten, eine Ambulanz und eine Armenküche. In dem Maß, in dem die Frequenz in Sen Jorj zunahm und dadurch personelle Anstrengungen sowie Ausweitungen der Krankenhausausstattung erforderlich wurden, fanden die Barmherzigen Schwestern auch Unterstützung bei einem internationalen Komitee, dem unter anderen europäischen Monarchen zuvörderst der türkische Sultan und der österreichische Kaiser angehörten.

Das Provisorium diente bis 1927 und wurde dann durch einen Neubau ersetzt, in dem eine interne, eine chirurgische und eine Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten eingerichtet wurde. Dieses Krankenhaus tat, während in den Zeiten des II. Weltkrieges alle anderen deutschsprachigen Institutionen geschlossen wurden, auf Wunsch der türkischen Regierung ununterbrochen Dienst.

Infolge der mittlerweile eingetretenen Baumängel stand 1995 die Entscheidung an, das Gebäude einer Generalrestauration zu unterziehen. Trotz des für eine Ordensgemeinschaft gewaltigen Kostendruckes entschied sich der Erhalter zu diesem Schritt, bei dem der denkmalgeschützte Teil des Krankenhauses von 1927 erhalten bleibt. Die Arbeiten dauern zur Zeit noch an.

Das neue Sen Jorj-Hastahanesi wird über 50 Patientenbetten verfügen und über Fachabteilungen für interne Medizin, allgemeine Chirurgie, Augenkrankheiten, Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten, Urologie sowie für Kinder. Für alle diese Abteilungen gibt es auch eine ausgedehnte Ambulanz. Im Personal finden wir 12 Arztstellen (Chefarzt Dr. Onnik Yaylaoğlu), drei med.-techn. Assistenten, eine weltliche Krankenschwester, vier Pfleger, acht Helfer und zwei Büroangestellte - und, obwohl die Zahl der Frauen, die in einem Orden Krankenpflege zu verrichten bereit sind, immer kleiner wird, 15 Barmherzige Schwestern (von denen sich drei im Ruhestand befinden; Oberin Sr. Heliodora Strobl). Es ist damit zu rechnen, daß Sen Jorj nach Fertigstellung des Neubaues noch stärker frequentiert werden wird - bis 1995 wurden jährlich etwa 70.000 Behandlungen durchgeführt.

Die Barmherzigen Schwestern der Provinz Graz möchten das St. Georgs-Spital nicht nur als Institution für hilfesuchende Bedürftige unabhängig von deren Herkunft verstanden wissen, sie wollen auch bewußt ein Zeichen der Gemeinschaft in einem moslemischen Land setzen. Sen Jorj ist ein wichtiges völkerverbindendes Element, denn das unmittelbare Erfahren von christlicher Nächstenliebe - in wahrsten Sinne des Wortes am eigenen Leib - hinterläßt nachhaltigen Eindruck. In einer Zeit, in der die Tendenzen zu Kompromißlosigkeit sich verstärken, wollen die Schwestern die Beziehungen zwischen den Bekenntnissen und Welten bewußt fördern und stärken, und sie sind der sicheren Hoffnung, daß man ihnen helfen wird, ihr Werk zum Wohle des Einzelnen und der Völker fortzusetzen.


Links:
Eröffnungsfeier des österreichischen St.Georgs-Krankenhauses
Aus der Schwesterngemeinschaft im St. Georgs-Spital
Restaurierung des St. Georgs-Krankenhauses abgeschlossen

Sen Jorj Hastanesi (türkisch)